Stoffspielerei: Heimat

Gut, dass einige so früh am Tag ihren Blogpost zum Thema „Heimat“ der monatlichen Stoffspielerei gepostet haben. Ich hatte zwar schon vielfältigst über das Thema nachgedacht, aber das heute schon der letzte Sonntag des Monats ist, hatte ich irgendwie verdrängt. Glücklicherweise barg dieser heutige Sonntag genug Zeit für mich, meine blaue Version einer Weißstickerei auszuprobieren. Nun hoffe ich, dass Frau Nahtlust meinen Beitrag trotz später Fertigstellung noch mit in die Sammlung der heimatlichen Stoffspielereien mit aufnehmen wird.

Mit meiner Verspätung hatte ich die Gelegenheit, auch schon mal in den Beiträgen anderer zu schmökern und stelle fest, dass es mir wie der einen oder anderen ging: der Heimatbegriff ist irgendwie nicht so einfach zu verwenden und interpretieren.

Vor längerem hatte ich ein Interview gelesen, in dem eine in Deutschland lebende Amerikanerin nach ihrem Heimatverständnis gefragt. Der Text zitierte sie mit „Heimat ist da, wo ich bin.“ So halte ich es allgemeinen, wenn mich jemand danach fragt.

Für eine textile Interpretation habe ich den Bogen dann doch etwas weiter gespannt und versucht, mich an textile Besonderheiten meiner Kindheit zu erinnern. Auch wenn die Region nicht mehr meine Wohnheimat ist, gibt es doch Verbindungen, die sich wahrscheinlich nie lösen.

Dabei fielen mir bestickte Vorhänge in den Küchen meiner Großtante und meiner Großmutter ein. Diese Tücher umfassten ein gesticktes Alphabet und verschiedene kleinere Weiß- oder Kreuzstichstickereien. Diese Vorhänge verdeckten kleine Wandregale mit diversen Küchenutensilien. Es waren vielleicht auch Versionen von Stickmustertüchern, die für eine praktische Verwendung angefertigt worden waren. Leider besitze ich keines dieser Tücher und auch keine Fotos, ich sehe sie nur noch vor meinem geistigen Auge. Ich weiß nicht, ob diese Tücher eine Besonderheit der Region nördlich von Dresden waren – ich sah diese (damals) vielmehr als einen Küchenschmuck, den die Generation meiner Großmütter so gelernt hatte.

In einem Buch über sorbische Stickereien sah ich eine schöne Weißstickerei, die mich an die gestickten Tücher erinnerte.

Für meine heutige Stoffspielerei wählte ich anstelle von Weiß die Farbe Blau. Auch hatte ich unlängst im Keller in einer Umzugskiste meine Sammlung von Stickgarnen und Utensilien aus meiner Jugend gefunden.

So konnte ich sogar mit einem Stickrahmen arbeiten, obwohl mein gewähltes Stoffstück dafür doch recht knapp war.

Ich stellte beim Sticken fest, dass sich das Leinen doch etwas dehnte, deshalb nähte ich ein Stück Stickvlies darunter.

Als Motiv wählte ich diesen kleinen Zweig mit drei Blättern. Es vereint drei verschiedene Stickstiche: Stielstich, Plattstich und Knötchenstich. Das finde ich eine sehr interessante Kombination.

Die Stiche auf dem Originalfoto wirken doch noch etwas anders. Wahrscheinlich ein anderes Garn, die Flächen scheinen noch fester und erhabener gestickt, der Stielstich noch kürzer gestochen, die Knötchen fein säuberlich angeordnet. Aber eine perfekte Replikation war nicht Ziel meiner Stoffspielerei ;-)

Ich freue mich einmal mehr über die ausprobierten Kenntnisse und interessanten gewonnenen Erkenntnisse einer Stoffspielerei. Ich bin gespannt, was alles so zu sehen und zu lesen sein wird!

12 Kommentare zu „Stoffspielerei: Heimat

  1. Oh, das nehme ich doch direkt gerne in die Verlinkung auf und freue mich, dass du die Weißstickerei direkt blau eingefärbt hast und ihr damit deinen eigenen Touch verleihst! Ich finde die Umsetzung sogar extrem nah am „Original“ und finde, dass dir das gut gelungen ist. Hut ab! Meine STickereien nach Vorlage sehen ja immer eher Panne aus – mir gelingt das freie Arbeiten besser. Schade – denn es gibt so viele tolle Muster und Motive. Ich übe mich weiterhin dran. Den Heimat-trage-ich-mit-Spruch finde ich sehr passend. Danke, dass du dabei bist! LG. Susanne

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  2. Toll, dass du so schnell noch einen Beitrag verfasst hast! Ich mag Weißstickerei auch, aber auch deine Blauvariante sieht sehr hübsch aus! Wer weiß, was aus dem kleinen Stückchen Stoff noch wird. Liebe Grüße Christiane

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  3. Ja genau, solche Tücher kenne ich auch. Bis Ende der 60iger Jahre hatten meine beiden Omas noch kein Bad im Haus. Zähne wurden an einem separaten „Ausguss“ in der Küche geputzt und daneben hing ein Regal mit einem bestickten Tuch das die Toilettenartikel verbarg. Gebadet haben die Großeltern Samstags in einer großen Zinkwanne, mitten in der Küche, das weiß ich allerdings nur von Erzählungen, bin selber nie dabeigewesen.
    Deine Blaue Weißstickerei ist Dir gut gelungen.
    viele Grüße Margot

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  4. Diese gestickten Tücher in der Küche gab es bei uns früher auch – dahinter verbargen sich die Geschirrtücher – vermutlich waren sie nicht fein genug, um offen zu hängen.
    Deine Stickerei gefällt mir sehr und in blau wirkt sie dann nochmals anders.
    Liebe Grüße
    Ines

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  5. Diese Nutzung bestickter Tücher, die Du erwähnst, kenne ich nicht, aber Deine Blätter sehen sehr hübsch aus! Wie gut, dass Du die Garne aus Jugendtagen gefunden und Dich noch am Sonntag zum Mitmachen inspirieren hast lassen. Bin gespannt, was Du noch draus machst! In der Küche aufhängen um Zahnbürsten zu verdecken? ;-) lg, Gabi

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  6. Was für eine feine, präzise Stickerei, und das auch noch „auf die Schnelle“!
    In Blau ausgeführt wirkt das Motiv ganz anders als die Vorlage in Weißstickerei, da sind die Blätter vermutlich unterlegt und sehen deshalb so plastisch aus.
    Diese bestickten Tücher habe ich als Kind vielerorts gesehen:
    Auf Bauernhöfen im Scwarzwald, bei Winzern in der Rheinebene, bei Verwandten in der „Ostzone“,
    Man nannte sie Überhandtücher, denn sie verdeckten die unansehnlichen Geschirr- und Grubenhandtücher.
    Wir hatten so etwas nicht, meiner Mutter wäre das zu viel Arbeit gewesen.
    Die vielfältigen Gedanken zum Thema Heimat habe ich auch alle gerne gelesen.
    Liebe Grüße
    Tyche

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